06. April 2016
Schweiz – EU: Ein Interview mit Botschafter Henri Gétaz
Seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 ist das Verhältnis zur EU angespannt. In den nächsten Monaten muss entschieden werden, wie die Partnerschaft mit unseren Nachbaren in Zukunft aussehen soll. Ein Interview mit Botschafter Henri Gétaz, Direktion für europäische Angelegenheiten.
Herr Gétaz, wie steht die Schweiz zu Europa?
Henri Gétaz: Mit unseren europäischen Nachbarn teilen wir eine ähnliche Rechtstradition und auch dieselben kulturellen und politischen Werte. Sehr oft stehen wir vor den gleichen Herausforderungen, wie der Migration, der Wirtschafts- und Währungsentwicklung sowie der europäischen Sicherheit und Stabilität auf unserem Kontinent. Die enge Partnerschaft, welche die Schweiz mit der EU und mit unseren nächsten Nachbarn pflegt, bringt uns Wohlstand, stärkt die Stabilität und letzten Endes auch die Selbstständigkeit der Schweiz.
Der Bundesrat will mittels einer Schutzklausel die Zuwanderung von Personen steuern. Denken Sie, die EU wird dies akzeptieren?
Bei der Umsetzung der Verfassungsbestimmungen zur Zuwanderung strebt der Bundesrat prioritär eine einvernehmliche Lösung mit der EU an. Weil aber mit der EU noch keine Einigung erzielt werden konnte, hat der Bundesrat dem Parlament vorgeschlagen, die Zuwanderung mittels einseitiger Schutzklausel zu steuern. Die Konsultationen mit der EU dazu sind weiter im Gang.
Bei der Zuwanderung von Angehörigen der EU- und EFTA-Staaten soll eine bestimmte Schwelle festgelegt werden, ab der für das Folgejahr Höchstzahlen und Kontingente eingeführt würden. Nach welchen Kriterien sollen diese Kontingente definiert und verteilt werden?
Die Botschaft zur Umsetzung von Verfassungsartikel 121a befindet sich jetzt im Parlament. Der Bundesrat schlägt vor, jährliche Höchstzahlen zu definieren, sobald die Nettozuwanderung einen Schwellenwert überschreitet. Dabei sollen die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollen weitere Massnahmen greifen, um inländische Arbeitskräfte zu fördern und gegen Missbräuche auf dem Arbeitsmarkt vorzugehen.
Was wären die Folgen für die Schweiz bei einer Ablehnung der Schutzklausel?
Wie gesagt strebt der Bundesrat eine einvernehmliche Lösung mit der EU an. Gelingt dies nicht, muss mit erheblichen Unsicherheiten im Verhältnis zur EU gerechnet werden. Welches die Konsequenzen im Einzelnen wären kann nicht vorausgesagt werden.
Was sind die grössten Herausforderungen der Schweizer Europapolitik für das Jahr 2016?
Der Bundesrat hat vor kurzem die aussenpolitische Strategie 2016 bis 2019 verabschiedet. Dort hält er fest, dass die Beziehungen der Schweiz zu den EU-/EFTAStaaten, unter besonderer Berücksichtigung der Nachbarstaaten, gefestigt werden sollen. Ein ausbaufähiges Verhältnis zur EU ist sicherzustellen. Gute Beziehungen mit der EU sind eine Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Politikfeldern, welche zur Förderung von Wohlstand und Sicherheit der Schweiz beiträgt. Der Bundesrat strebt eine bessere Steuerung der Migration und gleichzeitig die Wahrung und den Ausbau des bilateralen Wegs mit der EU an.
Was braucht Europa jetzt?
Die Schweiz hat ein Interesse an einem starken, wettbewerbsfähigen Europa und ebenso an einer starken, sicheren und wettbewerbsfähigen EU, unserer hauptsächlichen wirtschaftlichen Partnerin. Und Europa muss eine gemeinsame Antwort auf die grösste Flüchtlingskrise seit dem zweiten Weltkrieg finden.
Besuchen Sie die Werkstatt BaselUnter dem Titel «Schweiz – EU: Wie weiter?» veranstaltet die Handelskammer beider Basel eine Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung. Informieren Sie sich über die Sachlage der Europapolitik beim Inputreferat von Henri Gétaz. Mittels E-Voting und SMS können Sie sich vor Ort bei der Paneldiskussion einbringen und Handlungsempfehlungen mitgestalten, die nach der Werkstatt veröffentlicht werden. Dienstag, 12. April 2016, 18.00 bis 20.00 Uhr Anmeldung erforderlich über: [email protected] |
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